Nun muss aber endgültig Abschied genommen werden…
Freitag morgen 9 Uhr, eben kommt der englische Kommandant und kündigt Tod für 10 Uhr an, also in einer Stunde. In diesen meinen letzten Stunden wünsche ich dir noch Glück. Nun ist also mein schönes und reiches Leben zu Ende. Bleibe mitten drin stolz und treu und bleib Deutsch. Einen letzen Kuss auf deine Lippen dein Fritz

(Die letzten Zeilen von Fritz Knöchlein am Tag seiner Hinrichtung)

Auf kuriose Weise wurde uns vor einiger Zeit ein Ordner übergeben, der mehr als 100 handgeschriebene Briefe mit über 300 Seiten umfasst, die der SS-Kommandant Fritz Knöchlein seiner Geliebten „Deli“ in München im Zeitraum von 1948-1949 aus dem Gefängnis schrieb.

Dabei handelt es sich um unveröffentlichte Briefe; zusätzlich mit Schreiben an und von einer Hamburger Rechtsanwaltskanzlei, die Knöchlein bis zum Schluss verteidigte.

Fritz Knöchlein, 1911 in München geboren, trat 1934 der SS bei und übernahm 1939 die Kompanie der SS-Totenkopfstandarte I „Oberbayern“. Als Kommandant der SS-Division Totenkopf erlitt seine Einheit in der Schlacht von Dünkirchen schwere Verluste. Nach Augenzeugenberichten ließ Knöchlein daraufhin mehr als 90 britische Kriegsgefangene, die in die Hände der SS gefallen waren, am 27. Mai 1940 im Massaker von Le Paradis erschießen.

Nach Kriegsende bestätigten zwei rückkehrende Überlebende, William O’Callaghan und Albert Pooley, das Massaker von Le Paradis, woraufhin die War Crimes Investigation Unit Ermittlungen aufnahm. Knöchlein wurde in Hamburg ausfindig gemacht, im Verhörzentrum London Cage verhört und vor Gericht gestellt. Er versuchte sein Vorgehen damit zu rechtfertigen, dass von den britischen Einheiten völkerrechtswidrig Dum-Dum-Geschosse verwendet worden wären, was nicht zu beweisen war, und eine Erschießung der Gefangenen zudem nicht gerechtfertigt hätte. Am 25. Oktober 1948 wurde Fritz Knöchlein zum Tode verurteilt und am 21. Januar 1949 im Zuchthaus Hameln durch das britisches Militärgericht hingerichtet.

Filmische Umsetzung

Die BR/Arte-Redaktion lehnte nach einer Anfrage bezüglich Zusammenarbeit die Projektidee sofort ab, doch wir sind der Meinung, dass es sich bei dem Material um ein wichtiges, einmaliges Zeitzeugnis handelt, das auch für spätere Generation erhalten bleiben und öffentlich gemacht werde muss, um vor allem junge Menschen zu sensibilisieren, vor den Gefahren, die auch jetzt wieder neofaschistische Gruppierungen und Parteien darstellen können.

Auf sofortiges Interesse stieß das Material und die Projektidee bei Prof. Dr. Christoph Becker der juristischen Fakultät in Augsburg. Zwei Studentinnen haben den Fall aktuell in ihre Arbeiten eingearbeitet.

Das Projekt soll als Spielfilm realisiert werden, eine Kombination Film/Theaterstück ist eine Option. Ausschnitte aus den Briefen sollen filmisch rezitiert werden. Diese könnten verwoben werden mit historischen Materialien, u.a. gibt es einen DDR-Spielfilm über den Fall aus dem Jahr 1963. Neu inszenierte Sequenzen, in denen Briefinhalte visualisiert werden, sind ebenfalls denkbar.

Die Diskrepanz aufzuzeigen, zwischen einem Kommandant der SS-Division Totenkopf, der mutmaßlich mehr als 90 Kriegsgefangene im Massaker von Le Paradis erschießen ließ, und dem Liebenden, der in literarisch anspruchsvoller Weise sein Leben Revue passieren ließ, soll Grundlage eines Filmprojektes sein, dessen Umsetzung noch ganz in den Anfängen liegt, als Zeitzeugnis dienen soll, die Unmenschlichkeit dieser Zeit gegenwärtig machen und zum Nachdenken anregen soll, auch, ob Todesstrafe eine probates Mittel im 21. Jahrhundert sein darf.

Die nächsten Schritte

– Die Briefe müssen transkribiert und ausgewertet werden.

– Persönlichkeitsrechte und rechtliche Ansprüche müssen geklärt werden.

– Fördermöglichkeiten sollen ausgelotet werden.

Mehr über das Massaker von LE PARADIS